Zaun muss sein

Was soll denn sonst der Nachbar denken?

13. August 2019.jpeg

Auch so ein Jägerzaun hat seine Freunde

Laut Duden geht das Wort »Garten« auf den althochdeutschen Ausdruck »garto« zurück Gemeint ist im engeren Sinne »das Umzäunte«. Ein Garten ohne Schutz macht wenig Freude, weil er unweigerlich zum Treffpunkt von Karnickeln, Wildschweinen und anderen Störenfrieden wird. Also muss eine Abgrenzung her. Aber was für eine?

Das Thema ist unerschöpflich. Man kann es aus juristischer, ästhetischer, nachbarschaftlicher oder ökologischer Sicht betrachten. Einigkeit ist in keinem Fall zu erwarten.

§ 903 BGB und folgende

Fangen wir mit der Rechtsprechung an. Im Grundsatz gilt Paragraph 903 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Dort heißt es: “Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen.”

Wenn es sich um ein Stück Land handelt, darf er beispielsweise Grenzwände, Mauern, Zäune, Hecken, Wälle oder Gräben errichten, um den Rest der Menschheit daran zu hindern, über seinen Grund und Boden zu latschen. Man nennt das im Juristendeutsch eine “Einfriedung”. Wie der Begriff bereits sagt: Es geht vor allem darum, Frieden zu schaffen.

Ein frommer Wunsch

Aber wie heißt es bei Friedrich Schiller? (“Wilhelm Tell”, IV, 3.) „Es kann der Frömmste nicht im Frieden bleiben, wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt.” Hier kommt das Nachbarrecht ins Spiel, das in Deutschland je nach Bundesland unterschiedlich gestaltet ist. Und da kann obendrein noch die Stadt oder die Gemeinde ein Wörtchen mitreden. Mithin ein weites Feld für Anwälte und Gerichte.

Zur Ästhetik

Zäune können Kunstwerke sein. Aber das ist eher die Ausnahme.

Stattdessen hat sich flächendeckend die Lösung aus dem Baumarkt durchgesetzt. Der hat von Maschendraht über Paneele bis zur Doppelstabmatte jede Art von Geschmacksverirrung auf Lager. Das sieht alles nicht gut aus und wird mit der Zeit nicht schöner. Den optischen Sündenfall mit Thuja oder Kirschlorbeer zu kaschieren macht es anschließend auch nicht besser.

Hauptsache blickdicht

Egal. Das Bedürfnis, sich abzuschotten von der Welt, ist stärker. “Blickdicht“ soll die Abgrenzung sein. Und am besten noch schussfest

Hier kommen die Gabionen ins Spiel. Vor vielen Jahren war ich noch ein Fan davon. Man musste nichts mauern, sondern einfach nur ein paar Drahtkörbe hinstellen und mit Steinen und Erde füllen. „Mit der Zeit werden sie in die Landschaft einwachsen, wenn sich Gräser und Wildblumen am Stahlgitter hochranken“, versprach die Versandfirma Manufactum, die Gabionen damals fast exklusiv im Angebot hatte.

Inzwischen halte ich die Dinger für Teufelszeug. In geschätzt jedem zweiten Vorgarten stehen sie herum. Dass sie besonders schön in die Landschaft passen, müsste selbst ein Blinder bestreiten; hochranken tut sich da nichts und wieder nichts und schon gar keine Wildblume. Selbst Efeu hat es schwer, denn die Dinger können sich im Sommer enorm aufheizen.

Bollwerk für Kriege

Seit der Erfindung des Schießpulvers haben Gabionen deshalb vorwiegend militärischen Zwecken gedient. Sie wurden ursprünglich Schanzkörbe genannt und nicht aus Eisendraht, sondern aus Weidenruten geflochten. In modernerer Form heißen sie „Hescos“, zusammengesetzt aus dem Namen des Erfinders Jimi Heseldon und der Abkürzung für Container. Die amerikanischen Streitkräfte setzen sie seit dem Golfkrieg an nahezu allen Kriegsschauplätzen ein, die Bundeswehr hat ihre Schützenpanzer in Afghanistan mit Hilfe von Hescogittern zu rollenden Festungen umgerüstet.

Ist es das, was die Gabionenfreunde anstreben? Ein Bollwerk gegen feindliche Horden, das auch dem Angriff mit tonnenschweren Geländewagen und Mörsergranaten standhält?

Hinter Gittern

Für Igel, Maus und Schnecke

Wie immer in solchen Fällen hat sich eine Gegenbewegung etabliert. Wenn es darum geht, sein Grundstück möglichst naturnah einzuhegen, wird vor allem die Totholzhecke gepriesen.

Ein großer Freund davon war der 2007 verstorbene Landschaftsgärtner Hermann Benjes. Landauf, landab predigte er, man solle Feld- und Wiesenränder beleben, indem man Äste, Zweige und Reisig zu lockeren Haufen türme.

»Schon sitzen die Vögel drin und scheißen sich die schönste Hecke zusammen«, pflegte Benjes zu sagen. Mit den ausgeschiedenen Samen von Berberitzen oder Schlehen wachse im Handumdrehen ein wertvolles Kleinbiotop heran («danke für die Benjeshecke, sagen Igel, Maus und Schnecke«).

Hier irrte Hermann Benjes

Die Anregung fiel auf fruchtbaren Boden; in den neunziger Jahren wurden in Deutschland angeblich mehr als tausend Kilometer Benjeshecken angelegt. Hier und da kann man besichtigen, was daraus geworden ist. Brombeeren, Brennnesseln oder Goldruten gedeihen recht gut im Schutz des toten Holzes. Doch eine artenreiche, naturnahe Hecke stellt sich selten von selbst ein.

Sie braucht wohl mehr Zeit, als ein durchschnittliches Gärtnerleben dauert.

Auf ins Geflecht

Die älteste Begrenzung, die der Mensch erfunden hat, ist vermutlich der Flechtzaun. Einfriedungen aus geflochtenen Ruten lassen sich schon in der Steinzeit nachweisen. Langsam kommen sie wieder in Mode. Im gehobenen Handel finden sich zu entsprechenden Preisen Beetumrandungen und Zaunelemente nach altem Vorbild.

Hasel ist eine feine Sache. Aber nichts für die Ewigkeit.

Die Kunst des Schneitelns

Es geht sogar noch preiswerter. Man muss dazu nur einen Baum auswählen, der sich zum Schneiteln eignet. Darunter versteht man den regelmäßigen Rückschnitt der Astkrone, die auf diese Weise zum Neuausschlag angeregt wird.

Traditionell geschneitelt werden Hasel und Weide. Aus dem Material lassen sich Körbe flechten oder eben Einfassungen, ohne jede weitere Verbindung durch Nägel, Schrauben oder Drähte.

Das hält locker vier, fünf Jahre und zersetzt sich anschließend auf natürlichem Wege. Steckt man die frischen Ruten direkt in die Erde, kann daraus sogar ein lebender Zaun heranwachsen.


Exkurs: Die Weide

Weiden, die je nach Bedarf alle ein bis fünf Jahre beschnitten werden, waren früher ein prägendes Element vieler Flusslandschaften, besonders charakteristisch am Niederrhein. Weil solche »Kopfweiden« skurrile Formen annehmen und generell in sumpfigem Gelände wachsen, sah man in ihnen schlimme Gestalten, unter denen das Böse wohnte. Der Verräter Judas hat sich angeblich in einer Weide erhängt; nach anderen Überlieferungen kann es aber auch ein Feigenbaum, ein Holunder oder eine Pappel gewesen sein.

In einem klassischen Kinderbuch von Kenneth Grahame (“The Wind in the Willows”) tauchen Weiden sogar im Titel auf. Doch das führt auf eine falsche Fährte: Im Verlaufe der Handlung wird höchstens mal ein Boot an eine Weide gebunden, der Wind hingegen bläst verschiedentlich durch Schilf und Binsen und nur an einer einzigen Stelle durch eine »Osier«, also eine Korbweide. Tatsächlich dachte Grahame ursprünglich an den Titel »The Wind in the Reeds«, aber vor ihm hatte William Butler Yeats bereits “The Wind among the Reeds” herausgebracht, und da hätten Verwechslungen nahegelegen.

Die im Falle der Weide allerdings kaum zu vermeiden sind. Die Gattung Salix umfasst rund vierhundert Arten. Die bekanntesten Vertreter sind neben der Korbweide (Salix viminalis) die Silberweide (S. alba) und die Salweide (S. caprea), von der wiederum die Unterart caerulea das beste Holz für Cricketschläger liefert. Weidenbäume sind Pionierpflanzen von extrem feuchten Standorten. Im Garten haben sie eigentlich nichts zu suchen, mit einer Ausnahme, nämlich der Trauerweide. Auch hier herrscht gelegentlich Verwirrung, denn die Echte Trauerweide (S. babylonica) bastardiert sowohl mit der Silber- wie mit der Bruchweide (S. fragilis), und zu allem Überfluss gibt es daneben noch die Zuchtform S. alba ›tristis‹, die Anfang des 19. Jahrhunderts in Frankreich entstanden ist.


Am Ende wird’s teuer

Ich selbst stand irgendwann vor dem Problem, ein steiles Hanggründstück einzuzäunen. Zehn Jahre lang habe ich herumgemurkst, dann wurde es Zeit für eine professionelle Lösung. Drei Mann, zehn Pfosten, aberhunderte von Latten. Vier Wochen Arbeit. Kosten am Ende: locker um die achttausend.

Doch man gönnt sich ja sonst nix.

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Das weiße Wunder