I ❤️ Therme

Lange mussten die Vilbeler raten, ob das Megaprojekt überhaupt noch kommt. Aber jetzt ist angeblich alles klar. Fragt sich nur, für wen.

 

In der Badewanne kann man schon mal vorglühen

 

Informationen flossen bislang eher spärlich. Alle halbe Jahre gab es einen Zwischenstand. Der Inhalt war seit Januar 2021 stets derselbe. Ja, es läge ein Bauantrag vor. Nein, er könne noch nicht entschieden werden. Denn Unterlagen würden fehlen.

Jetzt geht’s los

Kurz vor Weihnachten nun die Überraschung: Die Thermengruppe Josef Wund meldete sich zu Wort und versicherte, regelmäßig alle notwendigen Unterlagen eingereicht zu haben. Flugblätter wurden in die Briefkästen geworfen, auf dem Weihnachtsmarkt in der Burg gab es einen Infostand. Mit der frohen Botschaft: “Therme Bad Vilbel - Startschuss 2024”

 

Bloß Randprobleme

Es gäbe nurmehr ein paar Details zu klären. Vilbels ehrenamtlicher Stadtrat Minkel, seit vielen Jahren maßgeblich beteiligt an dem Projekt, gab sich zuversichtlich: „Bei der Baugenehmigung werden jetzt nur noch Nebengeräusche hochstilisiert, die aber nur ein kleines Randproblem sind.“ Wenn das gelöst sei, stünde dem ersten Spatenstich nichts mehr im Wege.

Weitergehende Auskünfte hinsichtlich Brandschutz, Finanzierung und Energiebilanz mochten allerdings weder die Stadt noch die Gruppe Wund geben.

Zwei Dinge würde man trotzdem gern wissen:

Wer soll das bezahlen? Und wer hat das bestellt?

Die zuständigen Ansprechpartner bei diesem Bauvorhaben zu finden ist nicht ganz leicht. In der Vergangenheit wurden abwechselnd drei Namen genannt: Die “Josef Wund Stiftung”, die “Thermengruppe Josef Wund” und die “Therme Group”.

 
 

Der Firmengründer war 2017 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Er hinterließ ein kompliziertes Testament. Seinem Sohn Jörg vermachte er die beiden Thermen in Erding und Bad Wörishofen. Einzelne Vermächtnisse gingen an Familienmitglieder.

Alleinerbin des übrigen Vermögens wurde die 2015 gegründete Josef Wund Stiftung gGmbH mit Sitz in Stuttgart. Zu ihren Zielen gehört die Förderung von Projekten in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Kreativität. Im Mittelpunkt stand bislang die Verleihung des “Undine Awards” (hier die bisherigen Preisträger.) Der Bau von weiteren Großschwimmbädern gehört dagegen ausdrücklich nicht zu den Stiftungszielen.

Eine “Thermengruppe Josef Wund” findet sich nirgendwo im Handelsregister. Ebenfalls kaum Auskunft gibt die unter diesem Namen eingerichtete Website. Dort wird mit fröhlichen Bildern für die drei deutschen Thermenstandorte Euskirchen, Titisee-Neustadt und Sinsheim geworben. Im Impressum wird als Betreiber die 2015 gegründete Wund Holding GmbH in Markdorf genannt.

Der neue Partner

In einer der wenigen Pressemitteilungen zu diesem Thema hieß es immerhin, zwischen der Wund Holding und der Therme Group RHTG GmbH mit Sitz in Wien sei eine weitreichende strategische Partnerschaft vereinbart worden. Der Firmenverbund, zu dem die Therme Group gehört, sei ein weltweit agierendes Technologieunternehmen, das seit über achtzig Jahren aktiv sei und aus mehr als 150 Unternehmen mit insgesamt über fünftausend Mitarbeitern bestehe.

Das führt zunächst in die Irre. Die Therme Group hat ausweislich ihrer veröffentlichten Geschäftsberichte nie mehr als einen einzigen Mitarbeiter beschäftigt. Sie wurde auch nicht vor achtzig Jahren, sondern erst im Jahre 2011 im österreichischen Firmenbuch eingetragen und mit einem Eigenkapital von 35.000 Euro ausgestattet. Weitere Rücklagen wurden offenbar nicht gebildet, sodass im Jahresabschluss 2017 bereits Verluste in zehnfacher Höhe aufgelaufen waren.

A little bit help

Streng genommen stand das Unternehmen damit vor der Pleite. Im konkreten Fall konnte es jedoch auf eine sogenannte Patronatserklärung der “A-Heat Allied Heat Exchange Technology AG” verweisen. Damit kam ein weiterer Player ins Boot. Er stieg mit 51 Prozent Mehrheit bei der von Schulden geplagten Therme Group ein.

Der neue Partner brachte tatsächlich Einiges mit in die Ehe. Sein Mutterkonzern, die A-HEAT AG, ist ein international agierender Technologiekonzern, der aus einer 1931 von dem Maschinenschlosser Hans Güntner gegründeten Ein-Mann-Werkstatt zur Reparatur von Kühlmaschinen hervorgegangen ist.

Vom Mechaniker zum Chef

Das Unternehmen Güntner blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück.

 
 

Der Konzern ist nicht öffentlich notiert. Er verfügt nach eigenen Angaben über einen Aktionärskreis aus privatwirtschaftlich orientierten, langfristig ausgerichteten Investoren. Er beschäftigt, je nachdem, welche Quelle man zugrunde legt, zwischen drei- und viertausend Mitarbeiter ,vorwiegend in Europa, Asien, den Vereinigten Staaten und Lateinamerika. Schwerpunkt des Geschäfts sind Kühl- und Wärmeanlagen.

Und plötzlich hundert Millionen

Doch das ist noch nicht das Ende der Geschichte. 2020 zog sich die A-Heat Gruppe im Rahmen einer Endkonsolidisierung finanziell zurück. Die Mehrheit der Stimmrechte blieb dabei gleichwohl erhalten . Die Therme Group war zwischenzeitlich in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden und hatte umfangreiche Neustrukturierungen vorgenommen. Daraus entstand, für den Außenstehenden einigermaßen überraschend, ein Einbringungsgewinn in Höhe von mehr als einhundert Millionen Euro.

Wie kam diese Summe zustande?

Zugrunde gelegt wurde der hypothetische Wert eines noch zu verwirklichenden “neuartigen und besonderen Thermenprojekts” in Bad Vilbel. Zur Einschätzung diente ein sogenanntes “Discounted Cash-Flow”-Verfahren, also eine in der Finanzwelt nicht unübliche Methode, mit der Investoren versuchen, die Zukunft vorherzusagen. Sie baut auf dem voraussichtlichen Verlauf der Abzinsungen (englisch discounting) von künftigen Zahlungsströmen (englisch cash flow) auf. Als Basis diente den Wirtschaftsprüfern ein vom Management der Therme Group vorgelegter Businessplan, der für die Vilbeler Therme eine Planungsphase bis ins Jahr 2032 vorsieht. Von 2034 an soll dann eine “ewige Rente” erwirtschaftet werden.

Noch Fragen?

Selbst nach eingehender Beschäftigung mit dem Thema bleibt für den Bürger vieles im Dunkeln. Die in der europaweiten Ausschreibung ursprünglich genannten Zielvorstellungen wurden seitdem mehrfach korrigiert. Der Flächenbedarf wurde erweitert, die Architektur grundlegend verändert, ein vorgesehener Hotelbau zu den Akten gelegt. Bebauungspläne wurden angepasst, ebenso der Finanzierungsrahmen, die Struktur der beteiligten Unternehmen und so manches mehr. Welche Entscheidungen dabei im Hintergrund fielen, wurde nicht transparent.

Man würde gern mehr wissen

So bleiben entscheidende Dinge offen. Wer genau soll nun für den Bau und den späteren Betrieb der Vilbeler Therme verantwortlich sein? Welche Verträge wurden bereits geschlossen? Mit welchem Vertragspartner? Welche der mittlerweile auf zwei Dutzend Tochterunternehmen und andere Beteiligungen angewachsenen Therme Group wäre imstande, ein Kapital in Höhe von 250 Millionen Euro und mehr aufzubringen? Wurde deren Bonität von Seiten der Stadt überprüft? Was passiert, wenn das Projekt scheitert? Ist Bad Vilbel für den Fall einer Insolvenz vorbereitet? Man würde gern mehr dazu wissen. Doch jenseits vertraulicher Absprachen findet man nirgendwo eine klare Antwort.

Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so

Alles kein Problem, hieß es dazu bislang aus dem Rathaus. Im Zweifelsfall hätte die Mehrheit der Stadtverordneten sowieso immer zugestimmt..

Und was soll sich daran jetzt ändern?

 

Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n

 
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