Spontan vergoren 🍏

Die Hefe ist ein seltsames Ding

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Nun ist die ganze Chose im Kanister. Wenn es gut geht, fängt sie nach einer Weile kräftig an zu blubbern. Dabei, so steht es in den Büchern, kann eine Menge schiefgehen. Es lauern Essigstich, Milchsäure, brauner Bruch, Kahmhefen, Schimmel, Böckser und dergleichen. Man kann mit Schwefel, Nährsalzen und Aktivkohle dagegen angehen. Man kann sich aber, wie man in meiner Jugend zu sagen pflegte, auch ein Knie ins Loch hacken und Rhabarber reinpflanzen.

Ich habe beste Erfahrungen damit gemacht, den Rohsaft mit ewas Rauscher anzuimpfen, den ich glücklicherweise zur rechten Zeit beim Apfelweinwinzer Andreas Schneider in Niedererlenbach beziehe (www.obsthof-am-steinberg.de). Welche Hefe darin bei der Arbeit ist, wissen wir beide nicht. Schneider ist ein Anhänger der Spontanvergärung. Das heißt, er vertraut darauf, dass sich die richtigen Mikroorganismen von allein einstellen.  In seinem Falle sind das sogenannte Kellerhefen, die in seinem Betrieb schon seit Jahrzehnten ihr Wesen treiben.

Im Grunde hat der Mensch das schon immer so gemacht. Reinzuchthefen gibt es erst seit wenigen Jahrzehnten. Manche Winzer lehnen sie heute noch ab. Hefen gehören zu den Schlauchpilzen, beschrieben sind ungefähr 1500 verschiedene Arten. Für die alkoholische Gärung, die unter Ausschluss von Sauerstoff stattfindet, kommen aber nur eine Handvoll in Frage. Das sind die Zuckerhefen, Gattung Saccharomyces, und von denen sind beim Wein im engeren Sinne auch nur die Mitglieder der »sensu stricto«-Gruppe S. cerevisiae erwünscht. Es existieren mindestens tausend verschiedene Kulturstämme. Für die Praxis ist entscheidend, ob man Bier brauen, Brot backen oder Wein herstellen will. Spanische Mikrobiologen haben vor einiger Zeit zwei Dutzend Weinhefen unter die Lupe genommen, die vor allem in kühleren Anbaugebieten anzutreffen sind. Molekulargenetische Analysen zeigen, dass es sich um Hybride aus S. cerevisia und S. kudriavzevii handelt, die noch bei niedrigen Temperaturen gedeihen. Man vermutet, dass sie sich im Mittelalter verbreitet haben, als Zisterziensermönche darangingen, den Weinbau aus dem Burgund an den Rhein und an die Donau zu bringen. Gut möglich, dass einer dieser Stämme auch in meinem Apfelmost schwimmt.

Aber allein ist er dort bestimmt nicht. Draußen im Weinberg oder zwischen Apfelbäumen treiben sich kaum Zuckerhefen herum. Im Most schlägt ihre Stunde erst, wenn der Alkoholgehalt steigt. Vorher sind es vor allem wilde Apiculatus- und Candida-Hefen, die sich über die Maische hermachen. Sie gelangen selbst bei größter Hygiene ins Fass. Wer das verhindern will, kann zu Beginn der Gärung schwefeln. Für Puristen wie Andreas Schneider ist das nichts. Er schert sich auch um andere Dinge wenig. Wenn die Außentemperaturen sinken, verlangsamt sich eben die Gärung. So kann es Wochen bis Monate dauern, ehe der Zeitpunkt kommt, den Wein von der Hefe zu nehmen. Zwischendurch verkostet er immer wieder. Ich mache das genauso und bin noch nicht tot umgefallen.

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Wohin bloß mit den Äpfeln? 🍏