Wohin bloß mit den Äpfeln? 🍏

Ab in die Kelter, würde ich sagen

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Erst die Arbeit, dann das Vergnügen: Kernobst kann eine harte Nuss sein

Der Nachbar ist wieder mal sauer. Seine Bäume haben heuer getragen wie nichts Gutes. Nun weiß er nicht, wohin damit. Früher hat er das Zeug zum Mosten gebracht, doch da kriegt er keine zwei Euro mehr für den Zentner. »Ich bin doch nicht blöd«, sagt er und harkt die Äpfel zu Haufen, damit sie schneller vergammeln.

Äpfel sind einfach zu billig geworden. Polen überschwemmt halb Europa damit. China presst mittlerweile so viel Apfelsaftkonzentrat wie der Rest der Welt zusammen. Chinesische Äpfel haben wenig Aroma, doch das lässt sich durch Zugabe von Zitronensäure ausgleichen. So kommt es, dass die Schorle, die der Nachbar gegen den Durst trinkt, um die halbe Welt gereist ist, während das Gelump von seinen eigenen Bäumen vor sich hin rottet.

Früher, ja früher

Früher hat der Nachbar wenigstens noch versucht, Saft zu machen. Mit einer umgebauten Bohrmaschine. Es war eine Sauerei. Man kann Äpfel im Dampfkochtopf entsaften. Aber das einzig Wahre ist kaltgepresster Most. Und das auch nur, weil daraus Apfelwein wird.

Es gibt Snobs, die spitzlippig versichern, sie würden nie auch nur einen Tropfen davon herunterbekommen. Der Schriftsteller Christian Kracht schrieb einmal, Apfelwein sei die einzige ihm bekannte Form von Alkohol, bei der man schon während des Trinkens einen Kater bekomme. Das ist purer Unfug, denn ein fachgerecht gekelterter Apfelwein ist eines der saubersten Getränke, die es gibt.

Verlässlicher in dieser Beziehung ist der Schriftsteller Andreas Maier, der die schönste Liebeserklärung an den Apfelwein geschrieben hat www.faz.net/aktuell/reise/nah/frankfurt-das-stille-bangen-jeden-herbst-1896258.html. Auf Reisen habe er meist einen Kanister voll vom rechten Stoff dabei, nur im äußersten Notfall kaufe er ein Erzeugnis von Großkeltereien. Eigentlich lässt Maier nur Apfelwein aus Apfelweinwirtschaften gelten, die selber keltern. Wenn man es genau nimmt, sogar nur den, der vom Wirt der Sachsenhausener Gaststätte »Zu den drei Steubern« ausgeschenkt wird.

Apfelwein lebt, wenn man ihn lässt

Und ist ein zuverlässiger Begleiter durch die Jahreszeiten. Im Frühherbst schätzen wir ihn als »Süßen«, der bald zum stürmischen Rauscher wird. Diese Phase legt sich bis gegen Weihnachten, wo er als »Neuer« willkommen geheißen wird. Dann reift er weiter bis zum Sommer und nimmt Charakter an. Der »Alte« ist schon etwas gewöhnungsbedürftig, wenn er im Glase murrt. Aber die nächste Ernte steht ja vor der Tür.

Bier haben nachweislich schon die Sumerer gebraut. Seit wann es Apfelwein gibt, ist weniger gut dokumentiert. Die Früchte haben einen entscheidenden Nachteil: Sie sind hart und lassen sich, anders als Trauben oder Beeren, schlecht zu Saft pressen. Professionelle Kelterer rücken ihnen heute mit leistungsstarken Rätzmühlen und Bandpressen zu Leibe, die ein Dutzend Tonnen pro Stunde verarbeiten. Wer seine bescheidene Ernte selbst schreddern möchte, hat es schwerer.

Dazu kursieren abenteuerliche Vorschläge. Mit dem Hammer zerschlagen, heißt es zum Beispiel. Manche zweckentfremden auch ihren Holzschredder. Man hat schon ausgediente Waschmaschinentrommeln zu Zentrifugen umgebaut. In Baumärkten werden handbetriebene Spindelpressen angeboten. Ganze Äpfel kann man damit aber auch nicht pressen, man muss sie vorher zerkleinern.

Das gefährdet den häuslichen Frieden

Für eigene Versuche habe ich mir einen elektrischen Entsafter angeschafft. Der Hersteller warnt vor übertriebenen Erwartungen: »Nicht für den Dauerbetrieb geeignet« steht in der Bedienungsanleitung. Unter Gefährdung des häuslichen Friedens kann ich vielleicht dreißig Kilo Äpfel durchjagen, wobei sich schon der entscheidende Nachteil dieser Methode zeigte: Man erhält viel Schaum. Weil die Äpfel relativ fein gemahlen werden, oxidieren sie auf der Stelle.

Andererseits wird frischer Apfelsaft immer braun, egal, wie man ihn herstellt. Aus dreißig Kilo werden auf diese Weise ungefähr sechs Liter, die in Plastikkanister abgefüllt und mit Gärröhrchen versehen werden.

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Spontan vergoren 🍏

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