Ohne Deko geht das nicht

Heute kein Wort zu den Pflanzen. Weihnachten steht vor der Tür, und da wird wie der Teufel dekoriert.

Nicht erst seit gestern nimmt auch der außerhäusliche Schnickschnack immer mehr zu. Ich fand im Garten, den ich vor Jahren übernahm, unter anderem ein Feng-Shui-Geläut, mehrere Windrädchen und zwei Gips-Aphroditen vor, ferner ein Blumenmädchen aus Beton, zwei Dutzend tönerne Tierfiguren sowie sieben Zwerge. Was ohnehin zerbröselt war, habe ich entsorgt. Es blieb noch allerhand übrig.

Deko im Garten nervt. Aber selbst bei mir geht es nicht ganz ohne. Die Wichtel zum Beispiel habe ich rot angestrichen, sie bilden nun eine friedliche Gruppe, der eine schneidet Wurst, der andere lümmelt pfeiferauchend am Boden, der nächste schiebt seinen Karren.

Auch Zwerge haben mal klein angefangen

Geht es noch kitschiger? O ja. Traditionelle Gartenzwerge, deren rote Jakobinermützen immerhin an die Französische Revolution erinnern, trifft man nur noch selten. Stattdessen machen sich Skandalwichtel mit obszönen Gesten breit. Sehr beliebt sind außerdem Solarleuchten, die nach Sonnenuntergang kalt vor sich hin glimmen, schmiedeeiserne Vogelscheuchen, Terrakottazapfen, Rosenkugeln, Buddhas und Bambusfackeln. Nur den ausgedienten weißlackierten Autoreifen samt Stiefmütterchenbepflanzung sieht man kaum noch.

Moden kommen und gehen. Man muss sich nur in den Gartenmärkten umschauen. Die größte Verkaufsfläche ist heutzutage den sogenannten Outdoor-Möbeln gewidmet. Das sind raumgreifende Sofalandschaften, bestückt mit üppigen Polstern, auf denen man sicher gut kuscheln oder chillen oder einen Prosecco mit Minze und Holunder verschütten kann. Aber bestimmt keinen Gedanken an Gartenarbeit verschwendet.

Gartenmöbel gibt es noch nicht sehr lange. Die Fürsten des Barock haben sich vielleicht einen Pavillon schmieden lassen, der Bauer kam gar nicht dazu, sich hinzusetzen, und wenn doch, dann reichte ihm eine Decke. Richtig los ging es mit dem Freizeitvergnügen erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Campingstühle machten den Anfang, begleitet von quietschenden Luftmatratzen. Einen Hauch von Luxus brachte in den sechziger Jahren die Hollywood-Schaukel. Überlebt hat aus dieser Zeit nur der verletzungsträchtige Liegestuhl. Eine Weile behaupteten sich klobige Sitzgruppen, Modell »Lüneburger Heide«, die aus krummen Fichtenhölzern zusammengenagelt wurden. Hinweggefegt wurden sie durch die Erfindung des Spritzgussverfahrens, das es möglich machte, einen stapelbaren Hocker, Stuhl oder Sessel aus preiswertem Polypropylen in einem einzigen Arbeitsgang zu formen. Der weiße »Monobloc« kostet praktisch gar nichts und kann sommers wie winters draußen bleiben, wobei er unter dem Einfluss der UV-Strahlung artgerecht vergilbt.

Der Monobloc ist vermutlich das am häufigsten hergestellte Möbel aller Zeiten. Der Medientheoretiker Ethan Zuckerman behauptet, er sei eines der wenigen Objekte, die man sich außerhalb jedes Kontextes vorstellen könne. Ich würde das vorsichtig korrigieren: Wo man sich auf weißen Plastikstühlen niederlässt, bekommt man nie etwas Anständiges zu essen.

Weil das Bedürfnis nach Distinktion nie schläft, erwuchs dem Plastik in den achtziger Jahren Konkurrenz durch Teakholz. Die erste Generation dieser unter fragwürdigen Bedingungen produzierten Möbel ist im deutschen Nieselregen auch schon wieder verfault. Zunehmend sieht man Aluminium und Edelstahl., alternativ in rostiger Corten-Optik. Sowie dieses graue oder bräunliche Kunstgeflecht, aus dem all die Lounge-Gruppen, Open-Air-Betten und Yin-und-Yang-Höhlen bestehen, die sich zwischen Sylt und Berchtesgaden breitmachen. Es handelt sich dabei um ein Fasermaterial aus hochverdichtetem Polyethylen, das von weitem (aber nur von dort) an Rattangewebe erinnert.

Im Prospekt wird dieser Stil gern vor weiten Dünenlandschaften präsentiert. Auf dem Balkon macht er sich schon weniger gut, den Garten degradiert er zum Wohnzimmer. Die perfekte Ergänzung dazu sind nicht der Sauzahn oder die Pflanzkelle, sondern der Tabletbildschirm und ordentliche Basslautsprecher, aus denen das unvermeidliche Wummtata schallt.

Und was den jahreszeitlich unvermeidlichen Overkill an Weihnachtsmännern auf Rentierschlitten, Glühweinecken, Vogelfutterhäuschen, Igelherbergen und grauslich glimmernder LED-Beleuchtung betrifft - ich würde das alles im Sinne des optischen Umweltschutzes verbieten.

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