Primel, später

Wer kennt sie nicht? Dabei führt ihr Name in die Irre. In Wahrheit ist sie gar nicht die Erste.

Massenware von der Stange

Früh dran ist sie höchstens im Blumenladen. Ein »primus«, also ein Erstling, ist sie in der Natur wahrhaftig nicht. Die heimische Wiesen-Schlüsselblume (Primula vera) und die Hohe Schlüsselblume (P. elatior) öffnen ihre Blüten normalerweise erst im April. Dann haben andere Frühlingsgewächse schon ausgeblüht.

Im Gartencenter allerdings, das stimmt, bekommt man bunte Primeln schon zum Jahresanfang nachgeworfen. Meist sind das Hybridzüchtungen der Stängellosen Schlüsselblume P. vulgaris, auf deutsch Kissen- oder Gartenprimel genannt. Als Zimmerpflanze werden häufig Becherprimeln verkauft, die ursprünglich aus China stammen. Man nennt sie auch Gift-Primeln, weil sie erhebliche Mengen an Primin produzieren, einem chemischen Abkömmling des Benzochinons, der zu den stärksten Kontaktallergenen überhaupt gehört. Unter Gärtnern ist die sogenannte »Primeldermatitis« als Berufskrankheit anerkannt. Es gibt inzwischen aber auch priminfreie Sorten (»touch me«).

Ein Ruf wie Donnerhall

Die Echte Primel dagegen genießt in der Pflanzenheilkunde einen Ruf wie Donnerhall. Angeblich war sie Bestandteil des »Tranks der Begeisterung«, den keltische Druiden zu sich nahmen, wobei der alkoholische Anteil eine mindestens ebenso große Rolle gespielt haben dürfte. Wurzeln und Blätter sollen entspannend und angstlösend wirken. In der Volksmedizin wurde die Pflanze deshalb auch gegen Schwarzseherei verordnet. Nachgewiesen ist eine schleimlösende Wirkung, die sich auf das Vorhandensein verschiedener Saponine zurückführen lässt. Ein Extrakt aus den Blüten ist zum Beispiel in Mitteln enthalten, die gegen Erkältungen und Bronchitis helfen sollen. Die Deutschen schlucken sie in beachtlichen Mengen, ohne sich groß drum zu kümmern, woher der Rohstoff stammt.

Hier sind mal welche ausgebüxt

Die heimischen Wiesen jedenfalls decken den Bedarf bei weitem nicht. Ein großer deutscher Händler importiert nach Angaben des WWF jährlich zehn Tonnen Schlüsselblumen. Der größte Teil davon stammt von den Bergen Albaniens, wo das Sammeln wilder Heilpflanzen Tradition hat. Unter der Herrschaft des Kommunisten Enver Hoxha war das ein wichtiger Wirtschaftszweig, der an die hunderttausend Menschen beschäftigte und jährlich 50 Millionen Dollar Exporterlöse brachte.

Finger weg von heimischen Pflanzen

Um die albanischen Bestände vor Raubbau zu bewahren, haben die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, die Firma Kräuter Mix und der Botanische Garten der Universität Würzburg vor einiger Zeit ein Projekt durchgeführt, das den gezielten Anbau von Schlüsselblumen fördern soll.

Wo sie bei uns natürlich vorkommen, lässt man sie besser stehen; sie sind hierzulande geschützt.

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Das weiße Wunder

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Schneide nie den Baum zum Scherz