Ein Stern zum Wegwerfen

Millionenfach kommt er jetzt wieder in den Handel. Wochen später landete er genauso unvermeidlich in der Biotonne.

Der Weihnachtsstern färbt sich nur rot, wenn er im Dunklen gehalten wird.

In Deutschland werden jährlich rund 35 Millionen Stück verkauft, in einer Saison, die gerade mal sechs Wochen dauert. Ursprünglich wuchs Euphorbia pulcherrima (»die Schönste«) in den tropischen Laubwäldern Mittel- und Südamerikas, und zwar als bis zu vier Meter hoher, spärlich verzweigter Strauch. Der Botschafter Joel Poinsett brachte die Pflanze mit den auffällig gefärbten Hochblättern Anfang des 19. Jahrhunderts nach Nordamerika.

Dort begeisterte sie hundert Jahre später den aus Deutschland zugewanderten Lehrer Albert Ecke so sehr, dass er mit dem professionellen Anbau begann. Anfangs verkaufte er den Stern als Schnittblume, später pfropfte sein Sohn Paul kompaktere Sorten auf unverzweigte Stämme und vertrieb sie als Topfpflanzen. Nach dem Zweiten Weltkrieg gelang der Firma Ecke ein züchterischer Coup: Sie brachte Exemplare auf den Markt, die sich, ganz entgegen der Natur des Strauches, mehrfach verzweigten und eine Vielzahl von Hochblättern hervorbrachten.

Ecke besaß damit ein Weltmonopol. Niemand wusste, welcher Trick dahintersteckte. Erst im Jahre 1997 fand ein Pflanzenpathologe namens Ing-Ming Lee heraus, dass dafür eine Phytoplasmose verantwortlich war.

Phytoplasmen sind zellwandlose Bakterien, die von Pflanzensaft saugenden Insekten übertragen werden. Sie greifen in den Stoffwechsel ihres Wirtes ein, was zu Blattvergilbungen, Nekrosen und Wuchsanomalien führen kann; die Apfeltriebsucht, die Himbeerstauche und die Schwarzholzkrankheit der Weinrebe zählen zu den bekannten Fällen. Dass sie Weihnachtssterne buschiger wachsen ließen, war die erste positive Eigenschaft, die man einem Phytoplasma nachsagen konnte.

Ecke liefert noch heute die meisten Weihnachtsstern-Stecklinge. Produziert wird ein Großteil in Guatemala, von wo aus sie jedes Jahr zu Hunderten von Millionen in den Handel gelangen. Rote Blätter bilden sie nur, wenn sie vorher mehrere Wochen lang unter Gewächshausbedingungen bis zu vierzehn Stunden am Tag in völliger Dunkelheit gehalten werden. So enden sie dann auch: Als Wegwerfprodukte in der Biotonne.

Zurück
Zurück

Zum Jahreswechsel

Weiter
Weiter

Im Herbst geht es dahin