Wir basteln uns ein Biotop

Ärmel hochkrempeln und Bagger bestellen: So sieht’s häufig aus, wenn es um den Naturschutz geht. Aber weniger ist manchmal mehr.

Neue Heimat für den Grünfrosch: Das Vilbeler Feuchtgebiet “Im Nosselt” Foto © Hanns-Jürgen Roland

Hier gibt es nasse Füße: Station auf dem Vilbelsteig Premium-Wanderweg durch Bad Vilbel

In der Zeitung liest man hin und wieder, da oder dort hätten Freiwillige ein Biotop angelegt. Gemeint ist dann meist, dass sie einen Tümpel gegraben haben in der Hoffnung, den einen oder anderen Frosch anzulocken. Der Nachbar legt zu diesem Zweck Teichfolie aus, lässt Regenwasser hinein und schafft damit neuen Lebensraum für Stechmücken und Fadenalgen.

Heißen müsste es eigentlich „der“ und nicht „das“ Biotop. Denn es handelt sich per Definition um einen Ort (abgeleitet vom griechischen topos), und er muss gar nichts Schützenswertes haben. Selbst bei einem Schutthaufen oder den Seitenstreifen von Autobahnen und Bundesstraßen, auf denen sich neuerdings die aus den Halbwüsten Asiens eingeschleppte Verschiedensamige Melde breitmacht, handelt es sich um Biotope.

Der Vegetationskundler nennt das “Ruderalflora”. Ein typischer Vertreter ist die Kanadische Goldrute (Solidago canadensis)

Speziell in Deutschland wird dieser Ausdruck aber kaum noch wertneutral verwendet. Hier steht er grundsätzlich für das Gute und Anzustrebende in der Landschaft. Zum Biotop des Jahres wurde in Hessen vor einigen Jahren der Saum gewählt. Dieser Typ bildet sich heraus, wo zwei unterschiedliche Lebensräume aneinanderstoßen. Das kann am Waldrand oder am Wegesrand sein, an Ufern oder entlang von Äckern und Feldern.

Gerade dort wird besonders gern begradigt, gepflügt und noch der schmalste Randstreifen mit Herbiziden behandelt. Ist das nicht der Fall, neigt der Saum zum Verbuschen. Im Idealzustand würde man ihn alle zwei bis vier Jahre selektiv mähen und so für das Aufkommen einer Staudenflora sorgen, die von allerlei Nützlingen bevölkert wird.

Theorie und Praxis

So weit die Theorie. In der Praxis hat sich bei mir zwischen Garten, Hecke und Wiese ein Streifen herausgebildet, den der Fachmann als “artenarmen nitrophilen Brennnessel-Dominanzbestand” bezeichnen würde. Brennnesseln gelten unter Biogärtnern als ein Muss, bieten sie doch Nahrung für die Raupen etlicher Schmetterlinge. Der Kundige setzt aus dem Kraut eine Jauche an, die erbärmlich stinkt, aber wahre Wunder bewirken soll.

Mein Bestand würde reichen, eine semiprofessionelle Produktion aufzuziehen, was ich aber sein lasse, weil die Nachbarn das mit Sicherheit nicht goutieren würden.

Brennnesseln sind prima. Aber keiner mag sie

Das Schöne an Brennnesseln ist, dass man sie leicht mitsamt ihren Wurzeln herausrupfen kann. Sie hinterlassen dabei einen lockeren Boden. Da hinein will ich bei passender Gelegenheit eine Mischung säen, die besonders für den Wiesensaum geeignet sein solll. Laut Deklaration enthält sie die Samen von vier Dutzend Wildarten. Die Erfahrung sagt mir, dass maximal ein Fünftel davon keimen wird.

Ein Wiesensaum wie aus dem Bilderbuch © Rieger-Hofmann GmbH

Warum mache ich das überhaupt? Um mit bescheidenen Mitteln daran mitzuwirken, dass es endlich mit dem länderübergreifenden Verbund einzelner Biotope vorangeht.


§ 21 Bundesnaturschutzgesetz

1) Der Biotopverbund dient der dauerhaften Sicherung der Populationen wild lebender Tiere und Pflanzen einschließlich ihrer Lebensstätten, Biotope und Lebensgemeinschaften sowie der Bewahrung, Wiederherstellung und Entwicklung funktionsfähiger ökologischer Wechselbeziehungen. Er soll auch zur Verbesserung des Zusammenhangs des Netzes „Natura 2000“ beitragen.

(2) Der Biotopverbund soll länderübergreifend erfolgen. Die Länder stimmen sich hierzu untereinander ab.

(3) Der Biotopverbund besteht aus Kernflächen, Verbindungsflächen und Verbindungselementen. Bestandteile des Biotopverbunds sind:

- Nationalparke und Nationale Naturmonumente

- Naturschutzgebiete, Natura 2000-Gebiete und Biosphärenreservate oder Teile dieser Gebiete

- gesetzlich geschützte Biotope im Sinne des § 30

- weitere Flächen und Elemente, einschließlich solcher des Nationalen Naturerbes, des Grünen Bandes sowie Teilen von Landschaftsschutzgebieten und Naturparken, wenn sie zur Erreichung des in Absatz 1 genannten Zieles geeignet sind.

(4) Die erforderlichen Kernflächen, Verbindungsflächen und Verbindungselemente sind durch Erklärung zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Absatz 2, durch planungsrechtliche Festlegungen, durch langfristige vertragliche Vereinbarungen oder andere geeignete Maßnahmen rechtlich zu sichern, um den Biotopverbund dauerhaft zu gewährleisten

(5) Unbeschadet des § 30 sind die oberirdischen Gewässer einschließlich ihrer Randstreifen, Uferzonen und Auen als Lebensstätten und Biotope für natürlich vorkommende Tier- und Pflanzenarten zu erhalten. Sie sind so weiterzuentwickeln, dass sie ihre großräumige Vernetzungsfunktion auf Dauer erfüllen können

(6) Auf regionaler Ebene sind insbesondere in von der Landwirtschaft geprägten Landschaften zur Vernetzung von Biotopen erforderliche lineare und punktförmige Elemente, insbesondere Hecken und Feldraine sowie Trittsteinbiotope, zu erhalten und dort, wo sie nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind, zu schaffen


Eine lobenswerte Absicht. Pflanzen und Tieren soll dadurch die Möglichkeit geboten werden, entlang von Korridoren durch die ansonsten ausgeräumte Botanik zu wandern. Gesetze sind schön und gut. Aber nur ein Bruchteil der formulierten Ziele ist bislang verwirklicht worden.

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Im Herbst geht es dahin

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Ernte 23 🍏