Wir pflanzen einen Apfelbaum 🍏

Ein schöner Plan. Doch dabei kann kann einiges schiefgehen

Pflanzloch ausheben, Drahtgeflecht um die Wurzeln, Stütze einschlagen, lockere Erde einfüllen, festtreten, gießen, anbinden. Und dann auf das Prinzip Hoffnung setzen.

Gut die Hälfte aller deutschen Haushalte besitzt einen Garten. Das heißt: Knapp die andere Hälfte hat keinen. Aber selbst der gartenfernste Naturverächter hat schon davon gehört, dass man, wenn morgen die Welt unterginge, heute noch einen Apfelbaum pflanzen soll. Ob Martin Luther das wirklich gesagt hat, ist egal: So sieht gelebter Optimismus aus. Und zwar ein schlecht begründeter, möchte ich hinzufügen. Einen Apfelbaum durchzubringen ist nicht leicht. Was die Leute aber selten schreckt.

So fand sich unlängst meine Verwandtschaft im schönen Wendland zusammen, um den Erwerb einer Immobilie zu feiern. Es wurden die üblichen Reden gehalten und Glückwünsche und Geschenke überreicht. Dazu gehörte der symbolische Apfelbaum. Die Veranstaltung zog sich. Als es endlich so weit war, zur Pflanzung zu schreiten, dämmert es draußen bereits. In aller Eile wurde ein Platz gesucht. Dann musste erst einmal ein Scheinwerfer installiert und ein Spaten gesucht werden. Ein Dutzend Leute standen herum und gaben gute, wenn auch widersprüchliche Ratschläge. „Das Loch muss doppelt so groß werden!“ „Nicht so tief!“ „Das reicht!“ „Jetzt die Blumenerde!“ „Nein, erst die alte Erde!“ „Festtreten!“ „Nein, vorher wässern!“ Und so fort. Nach zwanzig Minuten stand der Stamm halbwegs gerade, und alle strebten erleichtert Richtung Buffet.

Vielleicht wächst das Bäumchen sogar an. Man soll nie nie sagen. Aber etwas mehr Starthilfe hätte nicht geschadet. Tatsächlich kann das Pflanzloch für einen Apfelbaum gar nicht groß genug sein. Denn je weiträumiger das Erdreich in seinem Umkreis gelockert wird, desto besser können sich seine Feinwurzeln ausbreiten. Sie und nur sie versorgen dem Baum mit Nährstoffen und Wasser. Aus diesem Grund wäre es auch ratsam gewesen, den dicken Wurzelfilz, der sich im Topf gebildet hatte, gründlich zu lockern. Alle Pflanzen, die zu lange in Containern gehalten werden, neigen über kurz oder lang zu Drehwuchs. Die Wurzeln haben dann verlernt, auf Wanderschaft zu gehen. Ich habe mal einen Rhododendron ausgegraben, der fünf Jahre lang nicht vorankam und sich selbst am neuen Standort beharrlich weigerte, sein Wurzelgeflecht zu erweitern; erst ein paar seiner Ableger waren imstande, Fuß zu fassen.

Ein neugepflanzter Apfelbaum braucht außerdem eine feste Stütze, damit ihn der nächste Sturm nicht aus dem Boden hebelt. Anbinden sollte man ihn mit einem Material, das nicht scheuert, denn sonst könnte das Kambium beschädigt werden, jene Wachstumsschicht zwischen Splintholz und Rinde, ohne die ein Baum nicht leben kann. Dann wäre es aucht ratsam gewesen, den unterirdischen Teil mit einem Drahtgewebe vor gefräßigen Wühl- und Feldmäusen zu schützen. Und den oberirdischen vor Kaninchen und Rehen, die in der kalten Jahreszeit nichts lieber benagen als junge Apfelbäume. Grob gesagt kann man damit rechnen, dass sich unter guten Bedingungen allenfalls jeder dritte Apfelbaum etabliert. Und damit ist noch nicht gesagt, dass sich die Ernte auch lohnt.

Bei mir ist bislang ein einziges Exemplar durchgekommen, das der Fachmann als Rheinische Schafsnase angesprochen hat. Der Baum trägt enorm große Früchte. Sie schmecken in normalen Jahren nach überhaupt nichts. Erst seit die Klimakrise zunehmend einheizt, kommt ihr Aroma allmählich zum Tragen.

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Wenn ich ein Vöglein wär’ 🦆