Ratzfatz mit den Rosen 🌹

Wenn sie blühen, sind alle entzückt. Und wenn nicht? Stellt sich jedesmal die Frage: Wie um Himmelswillen soll man sie schneiden?

Eine wahre Pracht. Aber ewig hält das nicht.

Das Thema ist nicht nicht ohne. Über die »Königin des Gartens« sind Tonnen von Literatur verfasst worden. Ein scharfzüngiger Brite hat den Inhalt einmal folgendermaßen zusammengefasst: 75 Prozent Folklore, 24 Prozent persönliche Vorurteile, ein Prozent Fakten. Wer soll sich da zurechtfinden?

Rosen sorgen für schlechtes Gewissen

Mein Verhältnis zu Rosen ist und bleibt zwiespältig. Einerseits bewundere ich sie natürlich, andererseits bereiten sie mir ein schlechtes Gewissen. Denn nie kann ich mich dazu durchringen, sie konsequent zu beschneiden, wie es die zahllosen Vorschriften fordern. Die sich allerdings samt und sonders widersprechen: Mal soll ein Drittel weg, mal weniger oder mehr, mal soll es im Herbst sein, mal im Winter. Beziehungsweise dann, wenn die Forsythien blühen, auch der Sommerschnitt sei strikt zu beachten. Alle schwachen Triebe sollen dran glauben müssen, ebenso das alte Holz, fünf Millimeter über einem schlafenden Auge soll gekappt werden, letzteres muss unbedingt nach außen weisen und der Schnitt im Winkel von 45 Grad angesetzt werden, andernfalls würde Wasser eindringen und zu Schimmelpilzen führen. Ohne diese ganze Prozedur, da sind sich die allermeisten Rosenfreude wiederum einig, würden Rosensträucher verkümmern und verkahlen und in wenigen Jahren zugrunde gehen. Die fadenscheinige Begründung lautet: Auch in den modernsten Züchtungen stecke noch das Erbe der wilden Rosenhecke, die sich nach Wildverbiss immer wieder verjüngen muss.

So weit, so gut. Doch wie geht es weiter?

Rehe und Kaninchen kennen keine Regeln

Zweifel sind erlaubt. Dass Rehe oder Kaninchen sich beim Knabbern an die oben genannten Vorschriften halten, wäre wohl zu viel verlangt. Wie die Rosen selbst darüber denken, wissen wir nicht. In England hat die ehrwürdige Royal National Rose Society in ihren Schaugärten in St. Albans in den neunziger Jahren einen Versuch durchgeführt und ein Dutzend Beete mit Teehybrid- und Floribunda-Rosen bepflanzt. Je ein Drittel davon wurde nach allen traditionellen Regeln der Kunst beschnitten beziehungsweise per Hand auf einheitliche Höhe gestutzt oder ganz brutal per Heckenschere getrimmt. Über Jahre hinweg stellte sich heraus: Die lieblos gekappten Sträucher schlugen in der folgenden Saison stärker aus und brachten genauso viele oder sogar mehr Blüten hervor.

Der Glaubenskrieg

Die einen sagen: Es kann doch nicht sein, dass jeder hergelaufene Depp mit der Heckenschere dasselbe Ergebnis erzielt wie ein Rosenliebhaber mit dreißig Jahren Erfahrung auf dem Buckel. Die anderen behaupten: Gar kein Schnitt wäre noch besser.

Eine Autorität auf dem Gebiet des Rosenschnitts war der Schweizer Gartenfachmann Dietrich Woessner. Seine (noch vergleichsweise übersichtlichen) Regeln lauteten: Bei Beetrosen darf nur ein Anteil von maximal einem Viertel zwei- und mehrjährigen Holzes am Stock belassen werden; bei einmalblühenden Strauchrosen soll der Anteil an mehrjährigen Ästen drei Viertel und bei dauerblühenden Strauchrosen ein Drittel ausmachen; bei einmalblühenden kleinblumigen Kletterrosen werden nur einjährige Triebe belassen; bei Kletterrosen-Hybriden sei das Verhältnis zwischen zwei- bis mehrjährigen und einjährigen Trieben zwei zu eins; bei Climbing-Rosen betrage letzteres vier zu eins.

Alles klar?

Der bekannte Versandhändler Manufactum wirbt für Woessners Buch mit der Begründung, es sei imstande, alle einschlägigen Zwistigkeiten über den Rosenschnitt ein für allemal zu beenden. Es zeugt nicht gerade von Praxisnähe, solche Behauptungen in die Welt zu setzen.

Rosen sind nicht kapriziös

Bei Licht betrachtet, dienen alle einschlägigen Vorschriften nur dem Interesse des Gärtners. Die Rose soll gefälligst den und nur den Platz einnehmen, den er ihr zugewiesen hat. Die meisten Rosen selbst kämen prima ohne Schnitt zurecht. Sie sind gar nicht so kapriziös, wie man häufig hört. Auf Friedhöfen oder an verwilderten Standorten kann man meterhohe Exemplare finden, die über und über blühen. In vernachlässigten Gärten sind Rosen oft die einzigen Zierpflanzen, die sich behaupten. Die Sitte, sie möglichst kurz und einheitlich zu halten, geht auf den barocken französischen Gartenstil zurück, der sie zu formalen Parterres in einheitlichen Farben arrangierte.

Eine Rose strebt, wie alle anderen Pflanzen auch, danach, möglichst viel Blattwerk zu entwickeln. Zu diesem Zweck schiebt sie ihre Triebe bevorzugt dorthin, wo viel Licht und wenig Konkurrenz herrschen. Je stärker sich ihr Astwerk entwickelt, desto tiefer dringen ihre Pfahlwurzeln in den Boden. Etablierte Rosen sind deshalb auch wenig anfällig gegen Trockenheit.

Aber sie machen Arbeit

Hier hilft nur noch die Sackkarre

Der kalifornische Rosenliebhaber Gregg Loery hat über Jahrzehnte hinweg Tausende von alten, teils wilden Rosen gesammelt und empfiehlt, einen Rosenstock erst einmal ausgiebig zu betrachten, ehe man die Schere ansetzt. Wie ist er gewachsen, wo hat er zuletzt seine Energie hineingesteckt und damit für die Zukunft vorgesorgt? Hoffnungsvolle, jugendliche Triebe sind rotgrün oder grün, reife Triebe grau, verwelkende gelbgrün und verbrauchte braun. Nur verbrauchtes oder absterbendes Holz sollte entfernt werden. Das setzt allerdings voraus, dass die Pflanze genügend Raum hat. Und es hat zur Folge, dass sie eventuell eine Form annimmt, die nicht unbedingt dem ästhetischen Empfinden des Besitzers entspricht.

Muss man das einer »Königin des Gartens« nicht ohnehin gestatten?

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