Ein Tütchen Vielfalt

Jahrelang habe ich versucht, eine Blumenwiese anzulegen. Dabei kann es so einfach sein. Ein Quadratmeter reicht angeblich.

Nur mal kurz die Welt retten: Eine Mitmachaktion der Wochenzeitung © “Die Zeit

Man kriegt sie inzwischen an jeder Ecke. Im Supermarkt, an den Werbeständen der Parteien, im Gartencenter sowieso. Oder von guten Freunden. Wer will sich dem schon widersetzen. „Rettet die Bienen!“ Wenn nur alle Gärtner so dächten, heißt es, könne das ein wichtiger Beitrag im Kampf gegen den Artenschwund sein.

Vor kurzem ist auch die Wochenzeitung Die Zeit auf diesen Zug aufgesprungen. Die gute Absicht ist zu loben. Nicht immer nur meckern, sondern was tun. Man nennt das “konstruktiven Journalismus”. Jeder Abonnent und jeder Käufer bekam gratis ein kleine Samentütchen mitgeliefert. Die Resonanz war enorm. Im Webshop des Verlages konnte man nachkaufen. Doch die Proben sind mittlerweile vergriffen. Grob geschätzt sind jetzt eine halbe Million Gärtner am Werk.

Bringt das was?

Betrachten wir kurz die Zahlen. Deutschland verfügt über eine Fläche von 360.000 Quadratkilometern. Gut die Hälfte davon entfallen auf die Landwirtschaft, 29 Prozent auf den Forst. Knapp acht Prozent sind als Bauflächen ausgewiesen, zwei Prozent für den Verkehr. Der Anteil an Grünflächen beträgt 2,2 Prozent, dabei schlagen Parkanlagen sowie Dauerkleingärten mit jeweils 0,2 Prozent zu Buche. Das Betätigungsfeld des Privatgärtners ist also ziemlich überschaubar.

Der britische Althistoriker Robin L. Fox, der seit mehr als vierzig Jahren eine bissige Gartenkolumne für die Financial Times verfasst, hat es so zusammengefasst: „Im Großen und Ganzen spielt die Hilfe von Gärtnern für bedrohte Arten eine unendlich kleine Rolle und ist nur von kurzer Dauer.“ Weshalb Fox auch keine Skrupel hat, Ziergewächse unter rein ästhetischen Gesichtspunkten auszuwählen und sie notfalls mit Hilfe von Pestiziden gegen Schädlinge aller Art zu verteidigen. Er nimmt auch sonst kein Blatt vor den Mund, was sein auf deutsch bei Klett-Cotta erschienenes Buch „Der englische Gärtner“ umso lesenswerter macht. In allem recht geben muss man ihm ja nicht.

Es stimmt natürlich, dass ein Gärtner kaum etwas ausrichten kann, wenn ringsherum nur Monokulturen von Mais oder Zuckerrüben gedeihen. Oder in seiner Nachbarschaft wenig mehr geduldet wird als die unheilige Trias von Carport, Kies und Bambus. Paradoxerweise ist das vor allem auf dem flachen Land der Fall, wo man sich die Natur häufig gern vom Hals hält, weil sie doch viel Dreck und Arbeit macht. Dafür sieht man in der Stadt wieder mehr Artenvielfalt, weil dort auf dem Grün, das trotz massiver Bebauung verblieben ist, wenigstens keine Höchsterträge an Milch, Getreide oder Kartoffeln erwirtschaftet werden müssen.

Manchmal trägt ein Umdenken auch ganz konkrete Früchte. Seit ein paar meiner Nachbarn dazu übergegangen sind, das Gras wenigstens in Teilen wachsen zu lassen und nicht gleich raspelkurz zu mähen, macht sich das Wiesenschaumkraut breit. Deshalb sieht man nun häufiger den hübschen Aurorafalter, der sich von dessen Nektar ernährt und seine Eier an den Blütenstielen ablegt. Die Raupen fressen ein paar Wochen lang, um sich anschließend zu verpuppen und zehn Monate später im Frühling erneut als Falter auf der Matte zu stehen. Die Nachbarn und ich haben damit nicht die Welt gerettet. Aber immerhin ein klein wenig bewirkt.

Man darf nicht vergessen, dass die Natur um uns herum, selbst wenn sie noch so brummt und blüht, längst ein künstlich geschaffener Lebensraum ist. Das heißt aber auch, dass wir es in der Hand haben, was daraus wird.

0,2 Prozent Gartenfläche werden nicht für eine ökologische Wende reichen. Aber wenn bloß jeder zehnte Landwirt mitmacht, sieht die Sache schon anders aus.

Man soll die Hoffnung nie aufgeben.

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