Mehr Kunst als Natur

Wie schafft man eine echte Wiese? Mit gutem Willen. Und sehr viel Ausdauer.

Albrecht Dürer: “Das große Rasenstück” (1503). Aquarell und Deckfarben, 40,8 × 31,5  cm.

Auf dem Papier ist es relativ einfach: Man sät Wiesensamen aus. Doch eben mal aus dem Handgelenk wird das garantiert nichts. Denn in der Regel wächst da, wo Wiese werden soll, bereits alles Mögliche. Nicht selten zähes Zeug, wie Gräser, Quecke, Giersch, Hahnenfuß, Wegerich oder Löwenzahn. Das muss weg. Um der Neuaussaat überhaupt eine Chance zu geben. Nicht von ungefähr pflügt der Bauer jedes Jahr aufs Neue. Und das schon seit der Steinzeit. Heutzutage kann er stattdessen auch auf Totalherbizide setzen, die alles Kraut killen, sofern es noch nicht resistent geworden (und das fragliche Mittel noch nicht verboten). Aber das Ziel ist und bleibt: nackte Erde.

Aussaaten sind immer delikat

Für den Gärtner stellt sich dasselbe Problem, nur in kleinerem Maßstab. Aussaaten im Garten sind immer delikat, egal ob Gemüse oder Wiese.

Da will der Untergrund sorgsam vorbereitet werden, von allen Wurzeln und Steinen befreit, geharkt und gehätschelt und betüddelt, bis die Witterung endlich mal passt. Dann streut man die Samen ungleichmäßig und viel zu dicht, was der Wind ausgleicht, indem er sie fortbläst. Oder der Regen spült sie noch dichter in Pfützen zusammen. Vögel machen sich drüber her, weshalb man Netze spannen muss. Und immer die Gießkanne schleppen, aber auch nicht zu oft, denn sonst veschlämmt und verbackt die Erde. Wenn zehn Prozent der Samen aufgehen, hat man Glück gehabt. Die zarten Keimlinge haben es auch nicht leicht; wälzen sich Katze oder Hund im Beet, ist alles perdu.

Viele Gärtner machen sich deshalb gar nicht erst die Mühe, pfeifen auf die mühsame Prozedur und decken sich mit vorgezogenen Pflanzen aus dem Gartencenter ein.

Was bei einer Wiese natürlich nicht geht. Die Firma Schwab hat hier eine Marktlücke entdeckt und offeriert einen “Albrecht-Dürer-Rasen”, fix und fertig zum Ausrollen. Grundpreis 8,90 Euro pro Quadratmeter, das wären bei einem mittelgroßen Grundstück - nun, das kann sich jeder selbst ausrechnen.

Noch eine Methode

Der Japaner Masanobu Fukuoka hat aus der Not eine Tugend gemacht und für die Direktsaat auf ungepflügten Feldern eine Methode entwickelt, bei der die Samen mit Ton und Humus zu Kugeln verknetet werden. Bei Feuchtigkeit verwandelt sich das Ganze in einen Matsch, der günstige Keimbedingungen bietet. Er nannte das „Nichts-Tun-Landwirtschaft“.

Die Bewegung der Guerillagärtner hat Fukuokas Methode zur Herstellung sogenannter Samenbombe inspiriert, die heimlich und ungefragt in der Gegend verteilt werden. Technisch verwandt ist damit das Pillensaatgut, das auch in der kommerziellen Landwirtschaft zum Einsatz kommt.

Ein ähnliches Produkt auf Lehmbasis bietet die Firma Instant Seed an:

Und was dann? Kann man endlich die Hände in den Schoß legen? Leider nein. Eine artenreiche Wiese ist zwar ein Natur-, aber mehr noch ein Kunstprodukt. Wiesen überleben auf Dauer nur durch den steten Eingriff des Menschen.

Als Landwirtschaft noch im kleinbäuerlichen Maßstab betrieben wurde, war das Allgemeinwissen. Ein Dichter wie Shakespeare konnte sicher sein, dass sein Publikum wusste, wovon die Rede war, wenn der Herzog von Bourbon über die kriegsbedingte Vernachlässigung seiner Ländereien klagte:

Von Lolch und Schierling

„In Haufen liegt all seine Landwirtschaft, verderbend in der eignen Fruchtbarkeit.
Sein Weinstock, der Erfreuer aller Herzen stirbt ungeschneitelt; die geflochtne Hecke streckt,
wie Gefangne wild mit Haar bewachsen wirre Zweige vor.

Im brachen Feld hat Lolch und Schierling und sich das geile Erdrauch eingenistet,
weil deine Pflugschar rostet, die solches Wucherkraut entwurzeln sollte.
Die ebne Wiese, lieblich sonst bedeckt mit bunten Primeln, Pimpernell und Klee,
die Sichel missend, üppig, ohne Zucht, wird müßig schwanger und gebieret nur noch schlechten Ampfer,
raue Disteln, Kletten, um Schönheit wie um Nutzbarkeit gebracht.

Wie unser Wein nun, Brachland, Wiesen, Hecken durch fehlerhaften Trieb zur Wildnis arten,
so haben wir samt unserm Haus und Kindern verlernt und lernen nicht – weil Muße fehlt –
die Wissenschaften, unser Land zu zieren.“

Heinrich der Fünfte“, 5. Aufzug, 2. Szene

Shakespeares “Heinrich V. “wird immer dann zitiert, wenn es darum geht, eine kleine Zahl von Menschen für eine große Aufgabe zu motivieren. Unter der Parole: “We few, we happy few”.

Wer sich daran macht, eine Wiese anzulegen, gehört zweifellos dazu.

Bonustrack: “Schlag nach bei Shakespeare”, 1963
(Deutsche Version von 'Brush up your Shakespeare' aus dem Musical 'Kiss me, Kate' von Cole Porter)

Triggerwarnung!

“Schlag' nach bei Shakespeare, bei dem steht was drin!
Kommst du mit Shakespeare, sind die Weiber gleich hin.

Denn du fällst durch die Kenntnis der Dramenbei den Damen sofort aus dem Rahmen.
Deklamierst du 'n paar Zeil'n aus Othello, lässt die Gnäd'je sich streicheln wie 'n Cello.
Selbst die kälteste Frau von Chikagokriegst du 'rum, bist du zynisch wie Jago!

Schlag' nach bei Shakespeare, sind die Weiber gleich ganz hin.

Lässt Sie dich nicht ans goldblonde Feenhaar, dann komm' wütend an wie König Lehar.
Rezitierst du Herrn Shakespeare's Sonette, zieht Sie zärtlich zur Lagerstätte.
Zeigst du Schwermut wie Herzog Orsino, wird die Liebe so schön wie im Kino!.

Schlag' nach bei Shakespeare und die Frau'n sind hin!
Jawoll, sie sind alle hin! Bestimmt, sie sind alle hin - Jawoll!”

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