Vogel satt 🦆

Vor vier Jahren habe ich hier über das Vogelfüttern geschrieben. Ich war strikt dagegen. Aber Überzeugungen können ins Wanken geraten.

Da hängt es nun. Und der feste Vorsatz ist im Eimer

Ein ziemlich großer Eimer mit Vogelfutter ist damals bei einem Feldversuch mir hängen geblieben. Das musste endich weg, weil es sonst ranzig wird. Also gibt es jetzt für die Piepmätze da draußen Sonnenblumenkerne, Erdnüsse, Hanfkörner, Haferflocken und Rosinen satt. Sie haben auch schon gut was weggefuttert, am allermeisten, wie immer, die Meisen.

Glaubt man Peter Berthold, dem ehemaligen Leiter der Vogelwarte Radolfzell, ist es unsere verdammte moralische Pflicht, die gefiederten Freunde zu verköstigen, weil wir die Natur, die sie eigentlich ernähren sollte, heruntergewirtschaftet haben. Berthold füttert konsequent auch im Sommer, nach eigenen Angaben um die vier Tonnen pro Jahr.

Das könnte man schon als einen Großversuch bezeichnen. Ansonsten gibt es nicht besonders viele Studien, die sich mit den Folgen der Rundumversorgung der Vogelwelt beschäftigt hätten. Eine ist in The Condor erschienen, dem Fachblatt amerikanischer Ornithologen. Die Wissenschaftler hatten an verschiedenen Stellen Futterhäuschen aufgehängt und dann beobachtet, ob diese neben Singvögeln auch verstärkt Räuber anziehen. Außer Rotkardinälen und Wanderdrosseln stellten sich tatsächlich Krähen und Stärlinge ein, die einen notorische Nesträuber und die anderen Brutparasiten, die fremden Nachwuchs gegen eigenen tauschen. Den Drosseln bekam das gar nicht gut, in der darauffolgenden Brutsaison schaffte es kaum noch eines ihrer Jungen, flügge zu werden. Die Überlebensraten der Kardinäle dagegen blieben weitgehend dieselben. Für dieses Phänomen fanden die Autoren auch nach längerer Diskussion keine plausible Erklärung außer der Feststellung, der Effekt von Vogelfütterungen sei eben „komplex und kontextabhängig“.

Unbestritten ist, dass die Fütterung dafür sorgt, dass mehr Vögel durch den Winter kommen. Allerdings kann es sein, dass sich ihr Bestand dadurch gar nicht groß ändert, selbst wenn ein Angebot im Übermaß herrscht. In Großbritannien hat man mal geschätzt, dass sich in dicht besiedelten Gemeinden nur neun Blaumeisen ein Futterhäuschen teilen müssen, so vogelverrückt, wie die Briten sind. Trotzdem liegt der Bruterfolg der verwöhnten Meisen nicht höher als in Gegenden, wo sie gar nicht gefüttert werden. Steht mehr als genug Nahrung zur Verfügung, brüten eben auch solche Individuen, die andernfalls gar nicht gebrütet hätten, und so kommt es, dass ihr Nachwuchs weniger überlebensfähig ist (www.nature.com).

Warum halten dann die meisten Menschen unbeirrt am Vogelfüttern fest? Der Australier Darryl Jones, Professor für urbane Ökologie an der Griffith University in Queensland, hat dazu ein ganzes Buch geschrieben:

Zwei Motive konnte Jones immerhin ausmachen. Viele füttern, um ihre gefiederten Freunde besser beobachten zu können. Und ebenso viele, um ihnen das Leben leichter zu machen Was das am Ende für die Vogelwelt bringt? Eine letztgültige Antwort fand der Australier auch nicht.

Soll man nun weiterforschen, bis die Frage geklärt ist, ob Vogelfüttern mehr Schaden als Nutzen bringt? Ich denke, es lohnt sich nicht. Bei diesem Thema herrscht längst die viel beklagte postfaktische Mentalität. Die einen werden weiter Meisenknödel kaufen. Die anderen die Naturferne falsch verstandener Tierliebe geißeln. Und dann gibt es noch die, die auch mal gegen die eigene Überzeugung handeln. Das sollte man sowieso häufiger tun.

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Winter ist ein rechter Mann ❄️