Winter ist ein rechter Mann ❄️

Reden wir ruhig vom Unerfreulichen: Der Garten in der kalten Jahreszeit ist nichts für Feiglinge.

Ein Anblick zum Fürchten. Aber das ist in Nordeuropa so.

Alles erledigt? Die Gießkannen entleert, den Wasserhahn zugedreht, das Laub fortgeschafft? Bleibt nur noch wenig zu tun. Man könnte auf die Seychellen fliehen. Aber was hätte man davon? Der Winter ist wie das Älterwerden: Man muss da mit Anstand durch.

Vegetationskundlich gesehen leben wir in Nordeuropa im Bereich der sommergrünen Laubwälder. Die Hälfte des Jahres über herrschen hier Temperaturen von mehr als zehn Grad Celsius, ausreichend für die Bildung von Blättern, Blüten und Früchten. Die Durchschnittstemperatur im Winter liegt nicht unter minus fünf Grad, sonst hätte man Taiga oder Tundra. Und trotzdem: Welchen Vorteil hat es, wenn die Jahreszeiten derart wechseln?

Warum blieb der Mensch nicht in Afrika?

Warum ist der Homo sapiens nicht in Afrika geblieben, wo er keine Heizung braucht und keine dicken Felle?

Selbst Paläoanthropologen haben keine definitive Antwort auf diese Frage. Ein paar Faktoren kann man sich zusammenreimen. In den gemäßigten Breiten gibt es nicht so viele Parasiten wie in den Tropen. Hier lauern in den Fließgewässern keine ekligen Würmer und auch keine Krokodile. Man konnte daraus jederzeit trinken und darauf warten, dass ein Mammut oder ein Elch vorbeikam. In der kalten Jahreszeit verdarb das Fleisch nicht so rasch. Am Feuer in der Höhle musste man zusammenrücken, was das Sozialleben zweifellos gefördert hat. Die Jahreszeiten zu beobachten schärfte die Sinne und zwang zu längerfristiger Planung. Die gebratenen Tauben flogen einem nicht ins Maul, und so kam niemand auf die Idee, sich vor der Arbeit zu drücken.

Nie ist es friedlicher als jetzt

Gärten kamen erst viel später hinzu, als Ergänzung zu dem, was der Acker hergab. Aber von Anfang an auch zur Befriedigung ästhetischer Bedürfnisse. Einer der letzten Könige des assyrischen Reiches soll zu diesem Zweck in seinem Lustgarten in Ninive die Köpfe erschlagener Feinde aufgehängt haben. Doch das war wohl eher die Ausnahme. Ein Garten sollte ein Ort des Friedens sein. Und eines muss man einräumen: Nie ist er friedlicher als im Winter. Bis Anfang Februar passiert dort nicht viel. Der Winter ist, um Karl Foerster zu widersprechen, eben doch ein Wartesaal.

Es gibt hierzulande nur wenige Ausnahmen. Eine davon ist der Winterjasmin. Der blüht wirklich, wenn draußen kein Blatt mehr am Baum hängt. Wenn der Winterjasmin in die Höhe wüchse, könnte man ihn mit der Forsythie verwechseln, mit der er entfernt verwandt ist. Leider sind seine Zweige so dünn, dass sie bis zum Boden hängen. Einen Winterjasmin in ein Klettergerüst zu zwängen ist vergebliche Liebesmühe. Es geht ihm gegen die Natur. Am besten wuchert er an steilen Hängen über Mauern herab.

Immerhin gibt es den Winterjasmin

Dass er jetzt blüht, ist ein Wunder. Denn eigentlich hat er nichts davon.

Jasminum nudiflorum, wie der Winterjasmin offiziell heißt, ist der einzige Vertreter seiner Gattung, der bei uns im Freien überwintern kann. Der Echte Jasmin, Jasminum officinale, aus dem ein aromatisches Öl zur Parfümherstellung gewonnen wird, braucht sonnige, heiße Standorte und hat sich nur in Teilen Südeuropas etabliert. Das Gleiche gilt für den Duftjasmin J. polyanthum und andere Jasminarten. Was dagegen in vielen Gärten wächst, im Juni blüht und betörend duftet, ist der Falsche oder auch Bauern-Jasmin, Philadelphus coronarius, der botanisch gesehen zu den Hortensiengewächsen gehört.

Winterjasmin dagegen blüht geruchlos. Warum blüht er dann überhaupt? Eine mögliche Antwort wäre, dass er nicht auf Fremdbestäubung aus ist. Doch die Blütenmorphologie weist in eine andere Richtung. Ähnlich wie die Forsythie zeichnet sich der Winterjasmin durch Vielgriffligkeit (Heterostylie) aus. Das heißt, Staubblätter und Narbe ein- und derselben Pflanze sind unterschiedlich geformt, so dass sie sich gegenseitig nicht befruchten können. Tatsächlich übernehmen in seiner Heimat im Südwesten Chinas Insekten die Bestäubung. Hierzulande sind im Winter kaum Insekten aktiv. Deshalb wird man so gut wie nie einem Winterjasmin mit Früchten begegnen. Die Vermehrung erfolgt durch Stecklinge oder Absenker. Richtig frostfest ist aber auch die Blüte des Winterjasmins nicht – bei länger anhaltenden Minusgraden wird sie weißlich und schlapp.

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