So sehen Sieger aus 🍏

Wer hat das beste Stöffchen? Zwei Dutzend Hobbykelterer wollten es jetzt genauer wissen

1. Platz: Sonnfried Morawek (174 Punkte). 2. Platz: Olaf Kurtze (165 Punkte)   3. Platz: Norbert Wetz (164 Punkte)

Wie ging es weiter mit meiner Ernte 22? Die achtzig Liter aus der Bandpresse wurden auf verschiedene Gebinde verteilt. Ein 30-Liter-Fass ist nach meiner Erfahrung die Obergrenze, das kann man gerade noch stemmen. Der Rest landete in kleineren Gefäßen und wurde zur beschleunigten Gärung mit dem aktuellen Rauscher vom Apfelweinwinzer Andreas Schneider in Niedererlenbach angeimpft. Also einer wilden Mischung von Hefen, die sich im Laufe der Jahrzehnte in seinem Betrieb angesammelt haben.

Ein bisschen Frost darf sein

Weinhefen, die in unseren Breiten sportan kursieren, gehen wahrscheinlich auf Kulturen zurück, die im frühen Mittelalter in den Klöstern und Weingütern der Zisterziensermönche gezüchtet wurden. Es handelt sich aus molekulargenetischer Sicht um Hybride zwischen Saccharomyces cerevisiae und Saccharomyces kudriavzevii. Die werden, anders Bäckerhefe oder obergärige Brauhefe, erst bei Temperaturen unterhalb von 10 Grad Celsius richtig munter. Ein bisschen Frost macht ihnen nichts aus. Sie fallen dann vorübergehend in Kälteschlaf. Kaum wird es wieder wärmer, machen sie unverdrossen weiter, bis sie allen Zucker in Alkohol verwandelt haben.

Das Geheimnis der Kaltvergärung

Was heißt das in der Praxis? Man sollte den Apfelmost nach dem Keltern nicht in die warme Wohnung holen. Dort setzt zwar auf der Stelle eine stürmische Gärung ein, doch die dafür verantwortlichen Hefen machen meist schlapp, noch ehe die maximale Konzentration an Alkohol erreicht ist. Das sogenannte “Geheimnis der Kaltvergärung”, mit dem die Landkelterei Höhl eine Zeitlang für ihren “Alten Hochstädter” warb, ist in Wahrheit keines. Der Hobbykelterer muss nur darauf vertrauen, dass die Außentemperaturen im Laufe des Spätherbstes schon ganz von allein sinken werden. Und sich am Ende der beste Hefestamm durchsetzt.

So sah das aus

Mein hoffnungsvoller Jungwein im Freien. Mal blubberte er gemächlich vor sich hin, mal ließ er es sein. Fortschreitender Schwund ließ sich nicht vermeiden. Denn zu den Pflichten und Freuden des Hobbykelterers gehört, dass er sein Produkt immer wieder verkostet. So kann er auch ohne Refraktometer, Alkoholmessung und aufwendige pH-Analyse herausfinden, wie sich der Stoff allmählich entwickelt.

Theorie und Praxis

Zur Frage, wie man Obstwein ausbaut, existieren die unterschiedlichsten Meinungen. Wer da durchsteigen will, kann gern im Forum Fruchtweinkeller nachschauen. Dort finden sich mittlerweile fast zweihunderttausend Beiträge, angefangen von der Analytik über die Gärung bis zum Thema Zucker. Es gibt Puristen, die ihren Most nach Möglichkeit überhaupt nicht anfassen. Und es gibt Perfektionisten, die Nährsalze hineinschütten, Reinzuchthefen, Säuren, Gerbstoffe, Fischblase, Schwefel und werweißnochwas. Eine ausführliche, wenn auch in Teilen recht theorielastige Anleitung zur Herstellung von Apfelwein hat der Biologe Andreas Kranz verfasst.

Die Konkurrenz

In diesem Jahr wollte ich es endlich wissen. Was taugt mein Stöffchen? Bald schon bot sich die Gelegenheit. Nach zweijähriger Corona-Pause hatte der BUND Karben wieder zum Wettbewerb aufgerufen.

Im Haus der Naturfreunde traten dazu gut zwei Dutzend Hobbykelterer an. Jeder musste eine Probe von zwei Litern einreichen , abgefüllt in neutralen grünen Weinflaschen. Da es um eine Blindverkostung ging, wurden sie doppelt anonymisiert; niemand wusste also, was er da eingeschenkt bekam. Bewertet wurden Farbe, Geruch und Geschmack. Manche schnüffelten und nippten nur, andere schluckten tapfer. Von kratzend sauer bis süß wie Saft reichte die Palette. Die Freunde des Apfelweins kommentierten, wogen ab und verteilten ihre Punkte. An die zweihundert hätten es im Idealfall sein können, doch die erreichte niemand. Die Hälfte war bereits ein gutes Ergebnis. An der Spitze wurde es dann eng. Der Sieger heimste 174 ein, der Zweitplatzierte 165 und der Drittplatzierte 164. Dafür gab es eine Urkunde und einen Bembel.

Und ich? Landete auf Platz vier. Zu meiner eigenen und der Sitznachbarn Überraschung. Auch wenn ich natürlich gestehe, dass ich insgeheim gehofft hatte. Denn ich fand meinen Jahrgang 22 eigentlich ganz gut gelungen.

Irgendwelche Tricks?

Doch, ja. Weil mir im Süßmost anfangs die Säure fehlte, setzte ich Zitronensäure zu. An der untersten Grenze des Empfohlenen. Die Zitronensäure baute sich im Laufe der Gärung zwar zum Teil ab. Aber weil mir das dann doch zu sauer blieb, half ich mit Zucker nach. In kleinen Dosen und nach der Methode Pi mal Schnauze. Bis ich den Geschmack rund genug fand. Ganz falsch kann das nicht gewesen sein.

Mal sehen, wie lange der Stoff jetzt hält. Ich schätze, bis zur nächsten Apfelblüte. Dann dürfte er sich wie all die Jahre zuvor wieder Richtung Sherry und Essig entwickeln. Es sei denn, ich trinke ihn vorher aus.

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Damit kein Schnitt daneben geht 🍏

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Wer hat an der Uhr gedreht?